Home

Alpen

Pyrenäen

Abruzzen

Hoher Atlas

Himalaya

Pfälzerwald

Inselwandern

Tipps


Impressum







 www.wander-mueller.de 






La Réunion

Insel der Märchenwälder und Vulkane
Eine Trekkingtour über die ganze Insel vom Norden in den Südosten

Karte mit den Etappenpunkten zum Zoomen bitte hier klicken
Fotos können durch Anklicken vergrößert werden

Übersicht
von Gerd Fouquet
09.September – 01.Oktober 2014



Etappe

Verlauf

Entf

km

Hm

auf

Hm

ab

Karten

09.09Die

NW ab:09:32, KL an:09:59, KL ab:10:23, Paris Est an:12:50Uhr, per Metro und Privatbahn zum Flughafen Orly. Abflug 21:20 Uhr.





10.09Mi

St.Denis de la Réunion an:10:15 Uhr. Taxi zum Hotel Select Ocean Indian in St-Denis Ü/Fr 160 € (Gesamtpreis 3-Bett-Zimmer, 2 Nächte)





11.09Do

Office du Tourisme, Stadtrundgang





12.09Fr

St-Denis-La Providence(50m) – le Brûlé(822m)(5km)(Sentier Mercure,GR R2) – Mamode Camp(1192m)(9km)(Sentier de la Roche Écrite,GR R2) – Gîte de la Plaine des Chicots oder Gîte de la Roche Écrite(1837m)(14km)(10h)(Sentier de la Roche Écrite GR R2)

14

1830

40

IGN 4402
Rother S. 50

13.09Sa

Gîte de la Plaine des Chicots – La Roche Écrite(2.276 m)(4km) – Gîte de la Plaine des Chicots(1837m)(8km)(3,25h) – Piton Fougères(1467 m)(12km)(GR R2)(5,5h) – Roche Verre Bouteille (1.239 m)(13km)(6,25h) – Kiosque du Cap Noir(1.100 m)(14km)(6,75h) – P(1143m)(15km)(7h)(GR R2) – Dos d'Âne(1000m)(16km)(8h)(GR R2) – Gîte Les Acacias

16

670

1500

IGN 4402
IGN.4401
Rother S. 50
Rother S. 40

14.09So

Dos d'Ane – Les deux Bras(252m)(3,5km)(4h)(Sentier du Bras,GR R2) – Bord Bazar(950m)(7,45h)(GR R2) – Îlet Jardin(730m) - Îlet à Malheur(830 m)(9,5km)(8,45h)(GR R2) – Gîte d'Îlet a Malheur

9,5

800

970

IGN 4401
IGN 4402

15.09Mo

Puffer- bzw. Ruhetag





16.09Di

Îlet à Malheur – La Plaque(899m)(2km)(0,5h)(GR R3, Sentier Scout) – südl. Bord Martin (1.620 m)(6km)(3,25h)(GR R3) – Col des Bœfs(2.011m)(8km)(5h)(GR R3) – La Nouvelle (1.400m)(11km)(8,5h)(GR R1) – Gîte Le Relais de Mafate

11

1260

670

IGN 4402

17.09Mi

La Nouvelle – Rivière des Galets(742m)(2,5km)(3h)(GR R2) – Pas du Bronchard(1150m)(4km)(5h)(GR R2) – Roche Plate (1.114 m)(5,5km)(6h)(GR R2) – Chez Merlin

5,5

470

780

IGN 4402
Rother S.125

18.09Do

Roche Plate – Le Bronchard(1190m) – Roche Plate


160

160

IGN 4402

19.09Fr

Roche Plate – les Trois Roches(1226m)(3,5km)(3,5h)(GR R3) – Marla (1.600 m)(7,5km)(6,26h)(GR R3) Gîte des Trois Roches

7,5

840

350

IGN 4402
Rother S.128

20.09Sa

Marla – Col de Fourche(1948m)(2,5h)(GR R1, R3) – Le Grand Sable(1036m)(4,5h)(g) – Mare d'Affouches(890m)(5,5h)(GR R1) – Rivière du Mat(683m)(GR R1) – Îlet à Vidot(935m)(7,25h)(GR R1) - Hell Bourg(970m)(8h)(GR R1) Chambre d'Hôte Le Relais des Gouverneurs

15

920

1550

IGN 4402


21.09So

Ruhetag Hell Bourg – Gîte La Mandoze





22.09Mo

Hell Bourg – Bémalot(1103m)(2km)(0,5h)(g) – Cap d'Anglais(2157m)(5km)(4,5h)(g) – Refuge de la Caverne Dufour oder Refuge du Piton des Neiges(2.479 m)(8km)(6,5h)(g)

8

1540

30

IGN 4402


23.09.Di

Refuge de la Caverne Dufour – Sentier du Piton de Neige – Piton des Neiges (3.070 m)(2,5km)(2,25h)(w) – Refuge de la Caverne Dufour (2479 m)(5km)(4,25h) – P Plaine des Cafres(1601m)(15km)(12,25h) (GR R2) – Bourg Murat(1600m)(20km)(13,75h)(GR R2) – Chambre d'Hôte Alicalapa-Tenon

20

770

1620

IGN 4402
IGN 4405
Rother S.117

24.09.Mi

Bourg Murat – Pont de Trente(1607m)(3km)(1h) – P Piton Textor(2140m)(10,5km)(4h)(w) – Oratoire Ste Thérèse(2412m)(14km)(5h)(GR R2) – Griffe du Diable(2300m)(17km)(6h)(Sentier Josémont,GR R2) – Gîte du Volcan(2250m)(19km)(8,25h)

19

950

310

IGN 4405
IGN 4406
Rother S.166

25.09.Do

Gîte du Volcan – Pas de Bellecombe(2319m)(1,5km)(0,5h) – La Chapelle de Rosemont(2310m)(3,5km)(1,5h) – Sentier du Cratère Dolomieu – Cratère Dolomieu(2512m)(6km)(3h) – Cratère du Formica Leo(2218m)(10km)(5h) – Gîte du Volcan(2250m)(12km(7h))(w)

12

610

610

IGN 4406
Rother S.160

26.09.Fr

Regentag = Ruhetag





27.09.Sa

Gîte du Volcan – Piton de Bois Vert(2274m)(8,5km)(3h)(Sentier du Tremblet(GR R2) – (Sentier du Pays Ramond, GR R2) - Gîte de Basse Vallée(601m)(17,5km)(9h)

17,5

110

1760

IGN 4406

28.09.

So

Gîte de Basse Vallée – Basse Vallée(0m)(5km)(2,25h)(GR R2) – Bustransfer nach St. PierreHotel

5

10

560

IGN 4406

29.09.Mo

Transfer nach St. Denis, Erholungstag – Hotel Select Ocean Indian





30.09.Di

St. Denis ab:22:30 Uhr





01.10.Mi

Paris Orly an: 07:45 Uhr, Paris Est ab:17:10, KL an:19:35 Uhr






Summe

160

10940

10910



Quellen: Walter Iwersen, Rother Wanderführer, 3. Auflage 2011

IGN-Karten Nrn. 4401 RT bis 4406 RT

Link für eine Übersicht

Karte mit den Etappenpunkten zum Zoomen bitte hier klicken


Die tropische Insel östlich von Madagaskar ist ein französisches Überseedepartement und gehört zur Europäischen Union. Sie ist etwa so groß wie das Saarland. Die Anhänger von 4 Weltreligionen leben friedlich zusammen: Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus. Die Kernzone des von Wäldern beherrschten Nationalparks, der auch in die Unesco-Weltnaturerbeliste aufgenommen wurde, umfasst 40% der Fläche. Die Randzone erstreckt sich fast über die ganze Insel. Die Wälder sind wahrlich märchenhaft: Undurchdringlicher Urwald, von Baumfarn überragt, unglaublich knorrige Bäume mit einem Astgewirr, von Moosen und vielen Aufsitzerpflanzen bedeckt, Fabelwesen ähnelnde Sträucher mit in Strähnen herabhängenden Flechten, umgestürzte und weiterlebende Bäume...

Réunion ist eine ganz junge Insel, erst 2-3 Mio. Jahre alt, weshalb einem der vulkanische Ursprung auf Schritt und Tritt begegnet. Entstanden ist die Insel durch unterseeische Vulkanausbrüche eines feststehenden Hotspots. Da sich die afrikanische Platte nach NW verschiebt, wandern die Ausbrüche nach SO. Durch Einsturz der Magmakammern nach Ausbrüchen des Urvulkans und danach durch jahrtausendelange Erosion entstanden im nordwestl. Teil der Insel drei riesige ovale bis runde Talkessel, Calderen genannt, (caldera, spanisch = Kessel) mit ca. 10 km Durchmesser und gewaltigen fast senkrechten Abbruchkanten (Krater-Rändern, remparts) von bis zu 1.200 m Höhe, die den längst erloschenen Piton des Neiges (3.070 m) kleeblattförmig umschließen: Der autofreie Cirque de Mafate, der Cirque de Salazie und der Cirque de Cilaos. Im Innern sind sie keineswegs flach, sondern durchsetzt von unzähligen schroffen, gezackten, sehr steilen, aber begrünten felsigen Bergen und zerfurcht von tiefen Schluchten, die die Flüsse in den porösen Basalt gegraben und viele Hochplateaus geschaffen haben, die wie kleine Inseln erscheinen und daher Îlets genannt werden.

Der totale Kontrast hierzu ist im SO der Schildvulkan Piton de la Fournaise (Glutofen - 2.621 m) mit seinen Kraterschlünden, Geröll- und Lavawüsten. Er ist einer der aktivsten Vulkane der Welt. Ursprünglich bestand Réunion aus zwei Inseln, die durch die Lavaströme des Piton de la Fournaise zusammengewachsen sind. Der Vulkan besitzt eine Besonderheit. Er hat nämlich zwei Calderen, eine äußere, innerhalb derer sich eine zweite ca. 13 x 8 km große durch Einsturz der Magmakammern gebildet hat. Beide sind von Kraterrändern (remparts) umgeben, die nach Osten hin offen sind, wo auch in aller Regel die Lava abfließt. Die Kraterränder der beiden Calderen sind etwa 200 m hoch, erreichen also nur einen Bruchteil der Höhe der drei o.g. Calderen des Piton des Neiges. Der Hauptkrater des Fournaise ist der an seinem oberen Rand bis über einen Kilometer breite Cratère Dolomieu, an den im Westen der kleinere jedoch höhere Cratère Bory direkt angrenzt.


 Der Wanderbericht

"Île de la Réunion", so lautet der vollständige Name der Insel. Mein Untertitel könnte auch lauten: Insel der Wasserfälle, Schluchten, Steilwände, zerklüfteten Talkessel, schroffen Gipfel usw. Insel der Badefreuden? Weniger. Auf Réunion sollte man wandern, und das haben wir getan, vom Norden, von St. Denis, bis in den Südosten nach Basse Vallée. Wir, das ist eine Dreiergruppe mit Gerd, Gerhard und meiner Wenigkeit. Eine offizielle Veranstaltung des Deutschen Alpenvereins, Sektion Neustadt an der Weinstraße. Nur drei Teilnehmer? Ja, Hemmnisse waren sicherlich der weite Flug (11 Stunden), die lange Zeit (3 Wochen), die unbekannten Tropen, die Angst vor Krankheiten, Sprachschwierigkeiten und die Tatsache, dass es sich um eine Streckenwanderung handelte. Da kann man nicht einfach mal einen Tag pausieren. 

Welches ist die bessere Variante? Mit Zelt oder Biwak ohne Vorbuchung der Hütten oder alles im Voraus schon von zu Hause aus buchen? Jede Art hat ihre Vor- und Nachteile. Ohne Vorbuchung ist man flexibler, läuft aber Gefahr, keine Unterkunft und keine Mahlzeit zu bekommen. Und, mindestens einen Tag vorher anmelden muss man sich dennoch. Also hatte ich alles vorausgebucht (Zug, Flug und Unterkünfte) und per Kreditkarte bezahlt. Somit besaß ich einen ganzen Packen Tickets bzw. Vouchers in DIN A 4-Größe, die ich sorgfältig im Rucksack verstaute. Dadurch waren wir aber streng an unseren Plan gebunden. Vorsichtshalber hatte ich ein paar Puffertage eingebaut, die sich bei der Wanderung als willkommene Ruhetage entpuppten. 

Fahrt und Flug am 09. und 10. September: Mit der S-Bahn von Neustadt nach Kaiserslautern, per TGV nach Paris, Gare de l'Est, dann mit der Metro und anderen U-Bahnen zum Flughafen Orly-Sud. Ankunft am nächsten Morgen in St-Denis, per Sammeltaxi zum Hotel. 

Mit einem Stadtplan bewaffnet erkundeten wir ein wenig die Stadt. Viel zu sehen gibt es nicht. Der Hindu-Tempel ist nicht zugänglich, nur das kunstvolle Portal konnten wir bewundern. Der Petit Marché (kleiner Markt) bietet viel Obst und Gemüse, aber die Restaurants sind dünn gesät. Warum nicht an einem Stand am Straßenrand eine erste einheimische Spezialität probieren? Der Händler bot Samoussas an. Das sind kleine Teigtaschen, die grundsätzlich mit Gemüse gefüllt sind.  Hinzu kommt eine ganze Palette anderer Köstlichkeiten, die von Käse bis zu Meeresfrüchten reicht. Ich nahm zehn Stück um satt zu werden. Aber so klein die Dinger auch sind, sie schmecken nicht nur gut, sondern sättigen enorm. Ich schaffte nur sieben an der Zahl. 

Am Abend besuchten wir die Imbissbuden am Barachois, einem Küstenabschnitt in St-Denis. Dort gibt's auch Restaurants, aber die waren uns zu teuer. Und die Imbisse sind viel uriger. Wir schlugen gleich noch mal mit einheimischer Kost zu: Cari Poulet, Hühnchen, gewürzt mit Ingwer, Knoblauch und Kurkuma, einer Ingwerart, und Cabri massalé, ein Ziegenfleischeintopf. Massalé ist eine Gewürzmischung aus Koriander, Kurkuma, Kreuzkümmel, etc. Fast immer wird dazu Reis serviert. Der Kartoffelanbau lohnt sich nicht, da die Felder von den Regenmassen bei den häufig auftretenden Zyklonen zerstört werden. Zum Essen genossen wir ein Dodo, das einheimische Bier, vom Fass. Wenn man ein Bier bestellt, bekommt man meistens ein Dodo, benannt nach dem ausgestorbenen etwa ein Meter großen flugunfähigen Vogel, der nur auf Mauritius und Réunion vorkam. Das Bier schmeckt vorzüglich. Auf unserem Rückweg schlenderten wir ein großes Stück am Meer entlang, ließen unsere Blicke über die Wellen schweifen und genossen die frische Brise. 

Am nächsten Morgen suchten wir den Einstieg zu unserem Wanderweg im Vorort la Providence. Da der Stadtplan nicht bis dahin reicht, mussten wir uns nach unserer Wanderkarte 1 : 25.000, natürlich ohne Straßennamen, orientieren. Es klappte einfacher als gedacht. An einem Picknickplatz im Jardin Botanique (Botanischer Garten) fanden wir den Beginn des GR 2-Weges mit Hinweisschildern und Markierungen. Diese Fülle von Palmen und anderen exotischen Bäumen ließ unsere Herzen höher schlagen und eine Menge Vorfreude auf den morgigen Wanderbeginn aufkommen.

Nun aber mussten wir uns beeilen, um in den Office de Tourisme zu kommen. Das bisher zuständige Maison de la Montagne gibt es nicht mehr. Dort muss man sich unbedingt über die Beschaffenheit der Wege informieren. Welch ein Schreck, als wir die fast eineinhalb-seitige Liste der gesperrten Wege ausgehändigt bekamen. Und, noch schlimmer, einer unserer Wege war auch dabei. Was heißt hier lapidar einer unserer Wege? Eine Schlüsselstelle, der Col du Taibit vor Cilaos, war wegen eines Felsrutsches nicht begehbar, was auch die Dame am Schalter dem Paar aus der Pfalz, das vor uns war, bestätigte. Ich war am Boden zerstört. Was Tun? Wir sahen auf der Karte keine Umgehungsmöglichkeit. Unser Glück war, dass wir warten mussten. Denn daher half uns ein anderer Bediensteter weiter. Und der war gründlicher. Er fragte nach dem Datum unserer geplanten Passage und gab uns nach einem Telefonat die Auskunft, dass der Pass am 20. September wieder offen sei. Ein riesiger Stein fiel von meinem Herzen! Hurra, alles war klar. Auch die Flussüberquerungen, die wegen vorheriger starker Regenfälle unmöglich sein können, waren laut Auskunft kein Problem.

Nun konnten wir uns einen gemütlichen Nachmittag machen. Da wir von den Imbissbuden am Barachois angetan waren, suchten wir sie wieder auf und probierten die nächste creolische Kost: Sarcives, gezuckertes Schweinefleisch. Gezuckertes Fleisch? Eigentlich ist das nicht mein Ding, aber man muss alles sich bietende probieren. Na ja, es schmeckte nicht schlecht, aber zweimal würde ich es nicht essen wollen. Nochmals genossen wir die Meeresbrise auf dem Weg zu unserem Hotel.

Der Botanische Garten in St-Denis, im Ortsteil La Providence. Hier beginnt der GR R2 Départ = Beginn. GR = Grande Randonnée. Das 2. R steht für Réunion. Kiosque ist kein Kiosk in unserem Sinne, sondern eine Art Pavillon als Unterstand. Gîte = Unterkunft. Roche = Felsen. Ecrite = Beschrieben.

1. Wandertag: 1.800 Höhenmeter Aufstieg zum Gîte de la Roche Écrite oder
Gîte de la Plaine des Chicots

1.800 Hm lagen vor uns. Wenn man bis zum Ort Le Brulé mit dem Bus fährt oder gar mit dem Kleinbus weiter bis zur Endstation Au Banc, kann man 800 Hm einsparen. Da ich schlecht geschlafen hatte, bereute ich unsere Entscheidung, unsere Inseldurchquerung am Beginn des Wanderweges GR R2 zu starten. Ein reichhaltiges und gutes Frühstück um 6:00 Uhr brachte jedoch eine gute Grundlage für den anstrengenden Tag. 

Das ist noch nicht der Wald, den ich als Märchenwald bezeichne. Der Weg ist in diesem Abschnitt gut begehbar. Wurzelweg. Bei Trockenheit kein Problem, bei Nässe sehr rutschig.

Den Einstieg hatten wir schnell wiedergefunden, und erwartungsvoll ging's los. Gleich zu Beginn erwartete uns ein steiles und steiniges Wegstück.  Wurzelabschnitte bereiteten aufgrund der Trockenheit keine Probleme. Kurz vor le Brûlé durchschritten wir einen Bambuswald, der über dem Weg ein Dach bildet. Unsere Hoffnung, in
dem Ort eine Wasserstelle zu finden, wurde nicht enttäuscht. Eine Frage war, wieviel Wasser müssen wir mitführen? Ich hatte 2 Einliterflaschen dabei. Ob das reicht bei der Hitze und den Anstrengungen? Es reichte. Eine weitere Frage war, kann man das Leitungswasser bedenkenlos trinken? Man kann. Wir haben es die ganze Zeit getrunken und haben nie, auch nicht vom Essen, irgendwelche Magen- oder Darmprobleme bekommen. Réunion liegt zwar im Indischen Ozean, hat aber,  so auch bei der Hygiene, nahezu europäischen Standard.

Bambusweg kurz vor le Brûlé. Nach 800 Hm Wasserfassen in le Brûlé.

Nun verläuft der GR-Weg bis zum Parkplatz Mamode Camp auf der Straße. Wir folgten alten Schildern "Sentier de la Roche" (Felsenweg) und konnten somit einige Serpentinen auf Pfaden mit teils hohen Stufen abkürzen. Wir passierten die letzte Bushaltestelle Au Banc und konnten zu unserer Freude bis zum Camp auf schönen Naturwegen wandern. Der Picknickplatz bot sich für die Mittagspause an, wobei wir unsere nassen Rücken der Sonne entgegenstreckten.

Urwald mit Baumfarn Urwald mit Baumfarn

Noch über 600 Hm lagen vor uns, die mir ganz schön schwer fielen. Zu unserem Erstaunen war der Weg zunächst ein gutes Stück aufwendig mit Rundhölzern und Brettern hergerichtet worden. Ebenso erstaunt waren wir über den faszinierenden Urwald, der sich uns nun darbot. Undurchdringliches Grün mit herausragendem Baumfarn. Aber die knorrigen, krummen Bäume mit einem Gewirr von mit Moosen und allerlei Aufsitzerpflanzen bedeckten Ästen übertrafen alles, kurzum gesagt: Märchenwald. Ich hätte dauernd fotografieren mögen, aber wir wollten ja nicht gar zu spät in der Hütte ankommen.

Märchenwald Märchenwald

Um etwa 17:00 Uhr hatten wir es geschafft. Aufgrund der Umbaumaßnahmen war der Sanitärbereich nur provisorisch in Containern untergebracht. Aber wir hatten ein Zimmer mit mehreren Stockbetten für uns alleine. Auf das Abendessen waren wir gespannt. 20 Euro für das Menü sind ja nicht wenig. Andererseits ist die Versorgung der Hütten aufwändig; sicherlich wird auch diese mit dem Hubschrauber versorgt. Wie Gerd und ich es aus den Pyrenäen gewohnt waren, sitzen die Gäste an einem langen Tisch. Überrascht waren wir, zuvor einen wohlschmeckenden, ganz schön starken Rumpunsch als Apéritif zu erhalten.  Serviert wird in großen Schüsseln. Wir waren sehr zufrieden. Die Vorspeisen-Suppe schmeckte richtig gut. Man konnte schöpfen, so viel man wollte. Als Hauptgericht gab es natürlich Reis mit einer Soße aus grünen Linsen und Rougail saucisses. Das sind kleingeschnitte Würste in einer reunionesischen Soße mit Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, Thymian, Kurkuma, Ingwer, Safran usw. Natürlich zum Sattessen. Schmeckte vorzüglich. Na ja, ganz schön fett, aber für uns Kalorienverbraucher genau richtig. Als Nachtisch gab es trockenen Kuchen, auf den ich verzichtete. Ich war sowieso mehr als gesättigt. Ob man mit diesem vollen Bauch schlafen kann?  Punsch und Bier machten es möglich.

2. Wandertag: Aufstieg zum Aussichtsfelsen Roche Écrite und abwärts nach Dos d'Âne

Nach erholsamem Schlaf freuten wir uns auf das Highlight des Tages, den Aussichtsfelsen Roche Écrite (Beschriebener Fels). Das Frühstück war, wie nicht anders zu erwarten, spartanisch französisch mit Kaffee, Tee oder Kakao und Weißbrot, Butter und Marmelade. Den Kalorienschub muss man sich halt am Abend zuvor verpassen. 

Flechten am Boden auf dem Weg zum Roche Écrite Bei Nebel besonders hilfreich, die vielen weißen Pfeile auf den Lavaplatten

Der üppige Urwald wich nun, entsprechend der Höhe, einem zunächst dichten Bewuchs von niedrigeren Sträuchern und Heidekraut. Dann trat immer mehr Lavagestein auf, meist in Form von großen Platten, aber auch in Form von unregelmäßigen Pflastersteinen. Eine Fülle von weißen Pfeilen auf dem Boden, die einem bei strahlendem Sonnenschein überflüssig erscheinen, erinnerte uns daran, dass auch dichter Nebel die Sicht enorm behindern kann.

Zerbröselnde Lavaplatten lassen den Weg wie eine alte Römerstraße aussehen. Blick vom "Beschriebenen Fels". Links der Cirque de Salazie. Oben links das Massiv des Piton des Neiges. Daneben rechts der Senke die lange gewaltige Wand des Rempart de Mafate. Die Straße, deren Verlauf Richtung Senke zeigt, führt zum Col des Boefs, über den wir später wandern werden.

Die ersten Bergläufer kamen schon vom Gipfel zurück. Die Einheimischen sind ein sportliches Volk. Nicht von ungefähr gibt es hier den Ultramarathon Grand Raid, einer der härtesten und attraktivsten Bergläufe der Welt, 162 Kilometer und über 9.600 Höhenmeter. Daher wurde fleißig trainiert. Ständig überholten oder begegneten uns solche Läufer.

Kamera-Schwenk nach links: Blick in den Cirque de Salazie mit dem Felsklotz Piton d'Anchain und  der senkrechten Caldera-Wand dahinter. Ganz hinten in der Bildmitte, die leichte Erhebung, ist der Piton de la Fournaise. Kamera-Schwenk nach rechts: Im Vordergrund le Cimandef mit seiner begrünten Steilwand. Hinten links noch ein Stück vom Piton des Neiges, rechts daneben die lange Steilwand des Rempart de Mafate.

Die etwas über 400 Hm waren bald überwunden und wir erreichten den Felsen, den Wanderer mit Gravuren oder Kreide bekritzelt hatten. Die sagenhaft phantastische Aussicht übertraf unsere Erwartungen. Da lag er tief unter uns, der Cirque (wörtlich Zirkus, hier Talkessel) de Salazie, dicht besiedelt und dennoch üppig grün, von Felsriegeln und Schluchten durchzogen, umgeben von gewaltigen nahezu senkrechten Caldera-Wänden von über 1.000 m Höhe. Und über allem thront das gewaltige Massiv des Piton des Neiges (Schneeberg). Wir konnten uns gar nicht satt sehen. Ich hätte stundenlang schauen können. Ein Einheimischer verriet uns, ein derart schönes Wetter gibt es hier nur einmal im Jahr. Kein einziges Wölkchen trübte den Blick. Leider ist der Blick in den Cirque de Mafate von Sträuchern ziemlich versperrt. 

Märchenhafter kann der Urwald nicht sein. Üppige Vegetation

Doch wir mussten weiter. Ein langer Weg nach Dos d'Âne lag vor uns. Zunächst ging es zurück zum Gîte, wo wir unsere Rucksäcke zurückgelassen hatten. Dann folgte ein steiler, oft recht schwieriger Abstieg Richtung Westen durch einen Märchenwald, noch schöner als gestern. Bäume wie Torbögen, durchgebogene Äste mit natürlicher Stütze. Wie kann es so etwas geben? Ich habe folgende Erklärung: Im Rother Wanderführer werden Höhen-Tamarinden beschrieben. Junge Bäume können sich so weit im Wind biegen, dass die Krone den Boden erreicht und Wurzeln schlägt. Nur so kann auch die Stütze des durchgebogenen Astes entstanden sein. Der Ast berührte den Boden und schlug Wurzeln.

Der herunterhängende Farn verleiht den Sträuchern ein feenhaftes Aussehen. Blick in den Cirque de Mafate. Im Hintergrund die Steilwand des Rempart (Caldera-Wand). Davor schroffe Felsriegel, an denen man erkennen kann, wie wild dieser Cirque ist.

Als wir einen Kammweg erreichten, auf dem der Weg dicht am Abgrund entlangführt, boten sich uns nun auch spektakuläre Blicke in den Cirque de Mafate. Mehr als 1.000 m tiefer schlängelte sich ein Nebenfluss des Rivière des Galets (Kieselsteine) durch die Schlucht. Die gegenüber liegende Wand der Schlucht ist ein Felsriegel mit einem sehr schmalen Grat. Im Hintergrund erhebt sich die gewaltige Steilwand des Rempart de Mafate, die den westlichen Caldera-Rand bildet. Nun verloren wir weniger rasch an Höhe, aber zu unserem Leidwesen ging es auch ständig wieder ein Stück aufwärts.

Blick hinunter auf den Nebenfluss des Rivière des Galets Eine der Leitern, die zum Ciosque du Cap Noir (schwarzes Kap) hinunterführen.

Wir brauchten wesentlich länger als die angegebene Zeit. Auch waren wir ziemlich kaputt, als wir den Aussichtspunkt Roche Verre Bouteille (Glasflasche) erreichten. Von dort hätten wir den kürzesten Weg in den Ort gehen können. Dennoch nahmen wir  den geplanten Umweg über den Aussichtspunkt Cap Noir aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses unter die Füße. Allerdings ging es noch weit, auch über Leitern, hinunter, was natürlich einen Wiederaufstieg bedeutete. Am Ciosque  Cap Noir gönnten wir uns eine Ruhepause mit Aussicht. Eigentlich hatte es sich aber gar nicht gelohnt. Die Ausblicke zuvor waren mindestens genau so schön.

Ich hatte schon zu Hause auf Google Earth ausfindig gemacht, wo sich unser Gîte les Acacias (Akazien) befindet. Dennoch mussten wir suchen. Als wir endlich und spät ankamen, stellte ich mit Schrecken fest, dass ich meine Stöcke gar nicht mehr bei mir hatte. Unvorstellbar, bei diesen Wegen ohne Stöcke zu gehen. Da fiel mir ein, dass ich einige hundert Meter zuvor den Voucher aus dem Rucksack gekramt hatte, um die Adresse des Gîte nachzulesen. Die Stöcke hatte ich an eine Wand gelehnt. Ich sauste zurück, und -welche Erleichterung- die Stöcke waren noch da.

Wieder hatten wir ein Stockbett-Zimmer für uns alleine und eine ordentliche Dusche, die wir genossen. Meist waren die Betten entweder bezogen oder lag die Bettwäsche bereit zum Selbermachen. Aber meist auch mit einem Bezug der Decke. Hier jedoch mussten wir unsere Hüttenschlafsäcke auspacken.

Zum Abendessen gab es als Vorspeise köstliches Chouchou-Gemüse. Es handelt sich um die Chayote, eine Kürbisart, die auf Réunion Chouchou genannt wird. Der Wirt meinte es offenbar besonders gut und servierte zur Hauptspeise Wachteln, an denen natürlich so gut wie nichts dran war. Künftig werde ich übers Essen nicht mehr viel schreiben. Meist gab es Suppe, dann immer Reis, meist mit Linsensoße, manchmal auch mit Champignon- oder Bohnensoße. Das Fleischgericht wechselte ab zwischen Rougail-Wurst und klein gehacktem Hähnchen, meist gab es jedoch Hähnchen. Beim Raten, was es wohl zum Abendessen geben wird, konnte man nie weit daneben liegen. Einmal gab es jedoch köstliche Garnelen. Wenn nur die Pulerei nicht gewesen wäre. Die Nachspeise, fast immer trockener Kuchen, ist eigentlich nicht erwähnenswert.

3. Wandertag: Grandioser Abstieg in die Schlucht des Rivière des Galets und schweißtreibender Aufstieg nach Îlet à Malheur

Auf den Abstieg ins Tal des Galets-Flusses waren wir sehr gespannt. Bei Google Earth sieht man deutlich, dass es knapp 700 Hm an einer fast senkrechten Wand hinuntergeht. Wir hatten keine Ahnung, wie schwierig der Weg ist. Aber da es sich ja um den Weitwanderweg GR 2 handelt, muss es doch für Nichtkletterer möglich sein. 

Eine Joggerin begegnet uns beim Abstieg in die Schlucht des Rivière des Galets Blick in die hier breitere Schlucht des Rivière des Galets

Zum Frühstück gab es zur Abwechslung zusätzlich Wachteleier. Das versöhnte etwas für die "Rippengestelle" am Vorabend. Wir zogen gleichzeitig mit einem französischen Paar los. Die kannten eine Abkürzung über einen Kreuzweg, was uns sehr gelegen kam. Im Supermarkt noch schnell etwas eingekauft, und bald standen wir am Einstieg zum Abstieg.  Und siehe da, es ist ein relativ einfacher Weg, der auf schmalen Absätzen, natürlich mit vielen Kehren, am Berg entlangführt. Schwieriger sind nur die steilen steinigen Passagen. Vor allem wegen des dichten Bewuchses könnten sich sogar nicht Schwindelfreie trauen. Weiter unten boten sich schöne Tiefblicke in die teils recht breite Schlucht, die die enormen Wassermassen des Flusses in der Regenzeit gegraben haben.

In der Talsohle angekommen Wegweiser mit dem Hinweis auf die gesperrte Schlucht Bras d'Oussy

An der Stelle les Deux Bras (die zwei Arme) mussten wir den Nebenbluss queren, der kurz danach in den Rivière des Galets mündet. Den Hauptfluss querten wir mehrmals. Undenkbar in der Regenzeit. Nur ein kurzes Stück wanderten wir flussaufwärts, um sodann nach links abzubiegen und gut 650 Hm zum Aussichtspunkt Bord Bazar in der gleißenden Nachmittagssonne aufzusteigen. Zum Glück kamen wir an einer Quelle (Source Cabris = Zickleinquelle) vorbei, an der wir unsere Wasserflaschen füllten, nachdem wir ausgiebig getrunken hatten. Mit vielen Trinkpausen kamen wir langsam höher. Eine weitere Quelle (Source Bambou = Bambusquelle) rettete uns endgültig vorm Verdursten. Als ich dachte, jetzt müssten wir es eigentlich bald geschafft haben, offenbarte sich nach einer Biegung noch ein Steilstück mit vielen Stufen. Doch auch das bewältigten wir. Am Aussichtspunkt machten wir eine kurze Pause und genossen die Blicke in den Cirque. 

Blick hinunter in die Schlucht Bras d'Oussy und hinüber bis zur Steilwand des le Rempart. Der spitze Felsklotz Mitte oben ist der Piton des Calumets. Kameraschwenk nach rechts. Typisch die vielen spitzen Felskegel

Der GR-Weg führt über Aurère. Ein wesentlich kürzerer Seitenweg erwies sich als bestens begehbar, führte durch einen Wald mit hohen Filao-Bäumen, die unserer Kiefer ähneln. Fast hätte man glauben können, wir sind im Pfälzerwald unterwegs. Eine tiefe Schlucht war noch zu überqueren, über die wir dank einer Brücke bequem hinüberkamen, bevor wir nochmals 100 Hm zum Ort aufstiegen. Ein kleines Dorf, aber mit Schule, Kirche, Campingplatz und Gîtes. Nach ein wenig Sucharbeit fanden wir unsere Unterkunft, wo wir vom Wirt bereits erwartet wurden. 

Der Gîte besteht aus mehreren Häusern. Wir wohnten in einem kleinen mit zwei nebeneinander liegenden Zimmern, überdachter Terrasse und Dusche und Toiletten, separat für diese Zimmer. Welch ein Komfort. An diesem Abend waren wir die einzigen Gäste. 

Ruhetag: 

Die Terrasse unseres Häuschens am Morgen In Puncto Federvieh ist unser Wirt autark

Eigentlich war der Tag mehr als Puffertag für alle Fälle gedacht. Aber wir waren um diesen Ausruhtag sehr froh und genossen die Ruhe und die Sonne. Lediglich ein Gegacker und Geschnatter war zu hören. Der Sache nachgehend, fand ich in der Nähe ein felsiges Gelände mit hunderten von Hühnern und Enten, die unserem Wirt gehören. Das ließ nur einen Schluss zu: Hier gibt es jeden Tag Geflügel. Um frisches Gemüse zu haben, wird es im Garten angepflanzt. Alles andere bringt der Hubschrauber, den man jeden Tag hören und sehen kann. Ebenso dreht täglich der Heli mit Touristen seine Runden.

Vom Garten unserer Unterkunft aus Blick nach Süden auf den östlichen Teil der Crête des Calumets Die Kirche in Îlet à Malheur. Dahinter unser Gîte. 

Der Ruhetag dauerte etwa bis 4 Uhr am Nachmittag. Dann war es vorbei mit der Ruhe. Nicht dass irgendwer Lärm verursachte, sondern der Wirt eilte mit seinem Telefon herbei. Ein Gespräch für mich. Nicht nur ich war baff. Es war der deutsch sprechende Mitarbeiter der Touristzentrale in St-Paul, Herr Chahed. Woher wusste er, wo ich bin, und was wollte er? Zunächst muss ich anmerken, dass ich ihn vom E-Mail-Schriftverkehr her kannte. Als ich im Januar begann, die Unterkünfte der Reihe nach direkt zu buchen, versagte nach der 4. Buchung die Technik. Hilfesuchend wandte ich mich an die Touristzentrale. Da bekam ich auf deutsch von Herrn Chahed Antwort, und konnte alle weiteren Hütten  über ihn buchen. Da fiel mir ein riesiger Brocken vom Herzen. Diesen Gîte hatte ich jedoch noch nicht über ihn gebucht. Aber er fand meinen Aufenthalt an diesem Tag heraus. Er rief nämlich meine Frau Ursula zu Hause an, die ihm dank eines genauen Wanderplanes Auskunft geben konnte. 

Aber was wollte er? Mir mitteilen, dass die Sperrung des Col du Taibit bis zum 20. September noch nicht aufgehoben werden kann, da die Arbeiten bis dahin noch nicht beendet sein werden. Der Felsrutsch riss ein 20 m tiefes Loch in den Berg, das man unmöglich umgehen könne. Mir fiel die Kinnlade runter. Aber er hatte eine Lösung parat. Wir müssten statt nach Cilaos zu gehen, nach Hell-Bourg ausweichen, um von dort die Basishütte vom Piton des Neiges anzusteuern, womit wir wieder im Plan wären. Diese Möglichkeit hatten wir auch gesehen, als wir in St-Denis von der Sperrung des Cols erfuhren. Aber wir verwarfen sie, weil wir davon ausgingen, dass der Weg viel zu weit sei. Nein, man brauche nur 8 Stunden. Aber wir waren doch immer langsamer als die vorgegebene Zeit, wobei ich anmerken muss, dass Gerd die Zeiten spielend hätte einhalten können. Jedoch blieb uns ja gar nichts anderes übrig. Herr Chahed stornierte nach meinem o.k. die Unterkunft für 2 Nächte in Cilaos und buchte 2 verschiedene Unterkünfte (weil es nicht anders gegangen wäre) in Hell-Bourg, als erstes das Gästezimmer (Chambre d'Hôtes) Relais des Gouverneurs. Das hört sich teuer an. Wahrscheinlich war die preiswertere Hütte, der Gîte la Mandoze, am Tag vorher (Samstag) ausgebucht. Auch wussten wir überhaupt nicht, wie die Aktion finanziell abläuft. Eine Adresse vom Gouverneurs-Relais hatten wir auch nicht, aber das würden wir schon finden. 

In Cilaos hatte ich für den 2. Tag eine tolle Wanderung geplant zu einer spektakulären Felshöhle, in der ein Fluss zutage tritt, der vorher vom Erdboden verschlungen worden war. Schade, stattdessen werden wir wohl in Hell-Bourg an diesem Tag unsere Wunden lecken von der vorangegangenen Tortur. 

Natürlich studierten wir sofort die Karte. Wir mussten also statt nach Süden wieder nach Norden, nochmals über die Plaine des Tamarins, diesmal in der Gegenrichtung, und über den Col de Fourche (1.946 m). Der liegt ganz in der Nähe vom Col des Boefs (Ochsenpass), den wir am nächsten Tag zu überqueren hatten. Danach durften wir den Abzweig vom GR-Weg zur Ebene le Grand Sable (der große Sand) nicht verfehlen. Aus dem Rother Wanderführer erfuhren wir, dass nach dem Grand Sable die Nordvariante die einfachere und somit schnellere, leider auch weniger schöne ist. Ein gutes Stück vor Hell-Bourg muss man die Straße benutzen. Da könnten wir ja möglicherweise per Anhalter fahren oder noch im Dunkeln laufen. Langsam beruhigten wir uns. 

Eine große Gruppe Franzosen traf ein, die nach dem Abendessen im Speisesaal mit gesangsähnlichem Lärm und sonstigem Krach aufwartete, sodass wir uns alsbald zurückzogen. Nur das Gegacker des Federviehs und Gequake der Kröten war mehr oder weniger störend zu vernehmen. Apropos: Wir hatten bisher noch keine einzige Stechmücke gesehen. Ob die Kröten wohl ganze Arbeit leisten?


4. Wandertag: Über den Sentier Scout und den Col des Boefs nach la Nouvelle

Der spitze Fels in der Bildmitte ist der Piton Cabris (Zicklein-Berg, 1.435 m), die höchste Erhebung der Crête d'Aurère, die sich, vom Standpunkt des Fotografen nicht sichtbar, hinter dem Piton entlangzieht. Die Wand links ist le Rempart, die Wand rechts die Crête de Marianne. Beide sind  Caldera-Wände des Cirque de Mafate. Blick nach Süden  auf die Crête des Calumets mit der höchsten Erhebung Morne de Fourche

Wieder eine lange Wanderung. Wir schlugen einen großen Bogen im Uhrzeigersinn, fast exakt von 12 nach 6 Uhr.  Erst Aufstieg mit wunderschönen Panoramen und durch einen Filao-Wald zum Sentier Scout. Es folgte ein langer, teilweise steiler Aufstieg. Wir gingen nun zeitweise direkt auf dem Kamm, sodass wir die Aussicht zu beiden Seiten genießen konnten. Wir erreichten den Sattel le Grand Rein und den Aussichtspunkt les Deux Fesses (Gesäß), der uns ein tolles Panorama bot über den nördlichen Cirque de Salazie mit Crête (Kamm) und Piton des Calumets. Dann ging's hinunter zum Fluss Bras Bémale und wieder hinauf zum Parkplatz mit Aussicht in den Cirque.

Kleines Heiligtum und Wegweiser: Bord Martin par Sentier Scout Ausgesetzter Pfad am Sentier Scout

Leider mussten wir nun ein Stück auf einer Asphaltstraße wandern, um zu einem großen bewachten Parkplatz mit Snackbude zu gelangen. Hier parken viele Touristen, um ein paar Tage im autofreien Cirque de Mafate zu wandern. Die nun folgende Schotterstraße wurde leider trotz Verbots von ganz faulen Touristen befahren. Vom Ende der Piste zum Col des Boefs (1.960 m) ist es dann nur noch ein kurzer aber sehr schöner Anstieg zum Sattel. Schön zu sehen, wie sich der Urwald bis zur Spitze des Berges hochzieht. 

Und wieder gingen wir durch märchenhaften Urwald Wald am Col des Boefs                                              

Steil ging es nun, teils auf Betonstufen, hinunter zum Abzweig zum Col de la Fourche (Gabelpass). Gemächlicher, aber stets bergab, führte nun der Weg in moorartiger Landschaft teils auf Holzbohlen weiter. Die Vegetation ist hier, vom Baumfarn abgesehen, recht niedrig, weshalb uns ein mit herunter hängenden Flechten feenhaft aussehender Strauch auffiel. Vorm Abzweig nach Marla hielten wir für ein Picknick an. Der gar nicht scheue Tec-Tec, ein Spatz mit schwarzem Kopf und weißer Kehle, wollte etwas abbekommen und leistete uns daher Gesellschaft. 

Baumfarn am Col des Boefs Der gesellige Tec-Tec an unserem Picknick-Platz

Als wir die Hochebene, Plaine des Tamarins, durchschritten, zogen Nebelschwaden vorüber und tauchten den Tamarinden-Wald in ein gespenstisches Licht. Endlich, gegen 17.00 Uhr, erreichten wir La Nouvelle. Nach einigem Suchen fanden wir auch unseren Gîte, le Relais de Mafate. Das Abendessen war mit 25 € recht teuer. Dafür gab's aber ein schmackhaftes Gemüsegratin als Vorspeise.  

Holzbohlen-Weg im Tamarinden-Wald in der Plaine des Tamarins Märchenhafter Tamarinden-Wald  in der Plaine des Tamarins

5. Wandertag: Abstieg in die Schlucht des Rivière des Galets und Aufstieg nach Roche Plate

Als mich Herr Chahed am Ruhetag angerufen hatte, erkundigte er sich auch über unsere weitere Route. Vor dem Aufstieg nach Roche Plate warnte er uns, er sei sehr schwierig und gefährlich. Erst als ich ihm beteuerte, dass wir Alpinisten seien, beruhigte er sich. Das ließ uns natürlich nicht kalt. Wir bekamen gehörigen Respekt vor der Route. 

Tatsächlich, die Wiese vor der Hütte war am frühen Morgen weiß vom Reif, und das in den Tropen auf 1.400 m Höhe. Vorbei an eingezäunten Weideflächen ging es zunächst gemächlich hinunter. Des öfteren mussten kleine Bachläufe gequert werden. Dann stand uns der atemberaubende Abstieg in die Schlucht des Rivière des Galets bevor. In engen Kehren, teils mit Geröll, teils rutschig führt der Weg steil hinunter. Da bekamen wir schon einen kleinen Vorgeschmack auf die andere Seite. 

Unser Gîte, le Relais de Mafate, am frühen Morgen vor der gewaltigen Wand le Rempart Calla-Busch am Wegesrand

Ein großer Calla-Busch streckte seine schneeweißen Blüten in den Himmel. Spektakuläre Weit- und Tiefblicke boten sich unseren Augen. Die riesige Steilwand des Caldera-Randes, le Rempart, baute sich mächtig vor uns auf. Davor, auf einem Hochplateau lag unser Ziel, der kleine Ort Roche Plate. Rechts daneben ein ehemaliger ziemlich runder Krater, le Bronchard. Er besitzt keinen Schlund, eine kleine Delle mit üppiger niedriger Vegetation ziert sein Haupt. Wie jeden Tag ratterte ein Hubschrauber mit am Seil hängender Last über der Schlucht. Die völlig harmlosen bis zu handtellergroßen Seidenspinnen hatten ihre riesigen Netze teils über den Weg gespannt.

Blick vom Abstiegsweg auf die Gegenseite. Vor der Wand le Rempart sind ein paar Häuser von Roche Plate zu sehen. Rechts unten der Vulkankegel le Bronchard. Links daneben ist unser Weg zu erkennen Steiler Abstieg im Vulkangestein

Immer wieder schweiften unsere Blicke hinüber zur Wand mit dem Aufstiegsweg. Ganz schön steil, sehr wohl, jedoch gefährliche Stellen konnten wir nicht ausmachen. Das Fernglas sollte mehr Aufschluss bringen. Fehlanzeige. Also abwarten!

Lastenhubschrauber über dem Cirque de Mafate Der steile, als gefährlich bezeichnete Weg auf der Gegenseite. Er zieht sich von unten Mitte über die Felsrampe nach oben links

Weiter unten vernahmen wir das Rauschen des Flusses. Dennoch war es  noch ein gutes Stück Weg bis zur Talsohle. Seilsicherungen und Leitern erleichterten das Absteigen. Endlich unten angekommen, mussten wir einen halben Kilometer am Fluss entlang gehen und ihn dreimal queren, indem wir über die Kieselsteine balancierten. Zum Glück war der Wasserstand nicht so hoch, sodass wir trockenen Fußes hinüberkamen. Aber auch entlang des Flusses mussten wir ständig über glatt geschliffene Steine kraxeln. Ein größeres Exemplar war so glatt, dass ich mich auf den Bauch legte und den Stein hoch robbte.

Kraxeln über die glatt geschliffenen großen Kieselsteine am Fluss Blick von Roche Plate nach Norden. Oben links am Rempart ist schwach der ausgesetzte Wanderweg Canalisation des Orangers zu erkennen

Nun galt es, den Einstieg zum Aufstieg zu finden. Dank der guten Markierung war es jedoch kein Problem. Steil ging es hoch, jedoch ohne jegliche Schwierigkeiten. Gefährliche Abgründe waren sogar mit Geländer gesichert. Eine ausgesetzte Felspassage war bestens seilgesichert. Eine Brücke erleichterte die Querung einer kleinen Schlucht. Wo waren die angekündigten Schwierigkeiten? Es ist mir unverständlich, wie man diesen Aufstieg als gefährlich bezeichnen kann. Es ist eben vieles Ansichtssache. Wir fanden den Abstieg auf der Gegenseite als schwieriger.

Am Col, wo ein Weg zum Krater le Bronschard abzweigt, legten wir eine Mittagspause ein und genossen die Aussicht. Viel zu früh erreichten wir unser Ziel Roche Plate und unseren Gîte Chez Merlin, denn wir mussten bis 15:00 Uhr warten, um hereingelassen zu werden. Oh je, ist diese Unterkunft primitiv. Mehr oder weniger eine Wellblechbaracke mit Fensteröffnungen, aber ohne Fenster. Bei Licht mussten wir den Klappladen schließen, um wenigstens einigermaßen zu verhindern, dass Stechmücken hereinkommen konnten. Es war auch die erste - und letzte - Unterkunft, in der wir auf Mückenjagd gingen. Da der Raum keine Decke hatte, sondern bis zum Dach reichte, konnten wir mit unseren Handtüchern nicht alle Viecher erreichen, sodass wir uns das einzige Mal mit Antimückenmittel einsprühten.

Das muss man sich erst mal vor Augen halten: Réunion-Reisende werden vor den Dengue- und Chikungunya-Virusinfektionen gewarnt, die durch die tagaktive Tigermücke und andere Moskitos übertragen werden. Nichts davon haben wir zu spüren bekommen. Ein einziges Mal die oben erwähnten Stechmücken. Da ist die Gefahr, gestochen zu werden, in Deutschland größer. Nun, in der Regenzeit sieht dies sicher anders aus. Aber welcher Tourist kommt denn in der Regenzeit? Man sollte also die Moskito-Frage nicht überbewerten, aber Leichtsinn ist auch fehl am Platze. Sollte man infiziert werden, hat dies eine schwere Erkrankung zur Folge.

Die unnötigste Investition, die ich getätigt hatte, war das Moskitonetz. Eigentlich wollte ich davon absehen. Aber dann, kurz vor unserer Abreise, riet mir jemand dringendst, eins mitzunehmen. Welch eine Hektik verursachte das. Zuerst berieten wir uns. Gerd verzichtete. Nach längerem Suchen nach dem für Trecker geeigneten Netz noch schnell 2 Exemplare bestellt, in der Ungewissheit, ob sie überhaupt noch rechtzeitig ankommen. Dann hatte ich das meinige ausprobiert, also aufgespannt. Das war nicht einfach, bis ich die richtige Technik raushatte. Auch die Frage, wie man es an der Wand befestigt, musste gelöst werden. Und dann das ganze Ding auch noch eingesprüht. Alles für die Katz.

Zurück zur Tour: 
Ausgerechnet hier blieben wir 2 Nächte. Wenigstens waren wir in dem Raum für uns alleine. Und der Wirt versprach, auch am nächsten Tag niemanden bei uns einzuquartieren. Da, wie fast überall, kaum Ablagemöglichkeiten vorhanden waren, konnten wir auf dem 4. Bett einige unserer Sachen ausbreiten. Das Abendessen war ordentlich und versöhnte uns ein wenig. So freuten wir uns schon auf den kommenden Ruhetag, an dem wir nur einen klitzekleinen Ausflug zum Krater le Bronchard planten.

2. Ruhetag mit kleinem Ausflug zum Krater le Bronchard

Blick vom Bronchard nach Westen auf die steile Caldera-Wand des Rempart Steilwand der Schlucht des Rivière des Galets mit ausgetrocknetem Wasserfall

Zurück zum Col, wo wir am Tag zuvor rasteten. Ein kurzer Anstieg, und wir befanden uns auf dem Kraterrand, den wir gemütlich umrundeten. Wir hielten oft an, genossen die Sonne und die Tiefblicke ins 500 m tiefer liegende Bachbett des Rivière des Galets, die Weitblicke nach Westen zur riesigen Felswand des Rempart, die im Süden bis zu 2.900 m Höhe ansteigt, und zur ebenfalls mächtigen Felswand im Nordosten, der Crête des Calumets.  Auch schweiften unsere Blicke nach Süden , wo wir unseren Pass, den Col du Taibit, leider vergeblich ausfindig zu machen suchten.

6. Wandertag: Über les Trois Roches im Flussbett des Rivière des Galets nach Marla

An diesem Tag querten wir das dritte Mal den Rivière des Galets. Warum plante ich dieses kreuz und quer im Cirque de Mafate? Weil ich versucht hatte, viele grandiose Landschaften in diesem Talkessel zu verbinden und weil kein einziges Auto die Ruhe stört. 

Blick über viele spitze Bergkuppen nach Süden. Rechts oben verläuft der Col du Taibit Unser Weg am Fuß des Rempart. Oben links der Col du Taibit

Wir wanderten hinauf zur Kirche und folgtem dem Weg zum Plateau Cerf (Hirschplateau), wo wir auf den GR 3 stießen, dem wir bis Marla folgten. An diesem Tag kamen wir der Felswand des Rempart sehr nahe und gingen sogar auf seinem etwas weniger steilen Fuß entlang. Immer wieder imponierend diese gigantischen Meisterwerke der Natur. Um ein frühzeiges Fazit zu ziehen: La Réunion muss man gesehen und erwandert haben.

Die Schlucht des Rivière
des Galets
Wilde Spitzen

Imm wieder boten sich spektakuläre Blicke in die Schlucht mit ihren Steilwänden, als wir an ihrem orographisch linken Rand entlang liefen. Wir querten einige Bachläufe und kamen schließlich in flacheres Gelände und passierten eine Almwirtschaft mit Ausschank. Wir machten nicht halt, sondern strebten dem Übergang Trois Roches (Drei Felsen) entgegen, um dort unsere Mittagsrast zu halten. 

Das weiße Gestein an den Trois Roches Die Wasser stürzen in eine Schlucht an den Trois Roches

Die Landschaft hatte sich völlig geändert. Die Enge der Schlucht wich einem breiten fast plan geschliffenen Felsplateau mit grauem bis weißem Gestein. Der Wasserstand war niedrig, sodass wir trockenen Fußes auf Steinen hinüberbalancieren konnten. Wenn man bei höherem Wasserstand durchwaten muss, gilt es aufzupassen, dass man nicht mitgerissen wird, zumal sich der Fluss wenige Meter dahinter in eine Schlucht hinabstürzt. 

Wir suchten den Schatten von Bäumen auf, denn die Sonne brannte, wie bisher jeden Tag, erbarmungslos herunter. Bei diesen Anstrengungen schmeckte sogar unser karges Mahl, das hauptsächlich aus Hartwurst und Brot bestand. 

Nun wanderten wir in einem breiten Flussbett mit großen Steinblöcken, viel Geröll und rutschigem Sand aufwärts, vorbei an der Abzweigung nach La Nouvelle. Teils im Flussbett, teils oberhalb führte unser Weg weiter, bis wir den Rivière ein letztes Mal an diesem Tag querten, um teils steil und zuletzt durch einen schönen Filao-Wald Marla und unseren Gîte Trois Roche zu erreichen.

In einem ausgetrockneten Teil des Flussbettes Filao-Wald vor Marla

Da wir bereits um 14:00 Uhr angekommen waren, gönnten wir uns einen erholsamen Mittagsschlaf. Da die Abzweigung zum Col du Taibit gleich hinter der Ortschaft ist, und ich wissen wollte, ob dort ein Sperrschild steht, lief ich noch dort hin. Kein Schild! Das gibt es doch nicht. Man kann doch die Wanderer nicht bis zum Col gehen und dann wieder umkehren lassen! Das hing mir zu hoch.

Nach dem Abendessen erfuhren wir von einem französischen Paar, dass der Col du Taibit bereits passierbar ist. Daher kein Schild. "Das darf doch nicht wahr sein", dachten wir und mussten diese Nachricht erst einmal verdauen. Natürlich versuchten wir, die Umbuchungen mit Hilfe des Hüttenwirts telefonisch rückgängig zu machen. Aber in dem Gîte in Cilaos meldete sich niemand. So früh am Abend, es war etwa halb neun, geht niemand mehr ans Telefon? Also verschoben wir unsere Bemühungen auf den nächsten Morgen.

Die Franzosen erzählten noch, dass der Übergang nur provisorisch hergerichtet worden sei. Man müsse sich auf einem schmalen Absatz an einem Seil an der Wand entlanghangeln. Das wäre für uns sicherlich kein Problem gewesen.

7. Wandertag: Der lange Weg nach Hell Bourg

Wir beeilten uns mit dem Frühstück. Es stellte sich leider heraus, dass ein Rückgängigmachen der Umbuchungen unmöglich war, trotz aller Bemühungen mit Hilfe des Hüttenwirtes. Die Unterkunft in Cilaos war ausgebucht. Da konnte nur noch die Touristikzentrale weiterhelfen. Aber da meldete sich niemand. Warten und später versuchen? Dann müssten wir in Marla nochmals übernachten und kämen einen Tag später in Cilaos (oder Hell-Bourg) an. Wäre kein Problem. Aber alle Überlegungen waren vergeblich, denn der Gîte in Marla war ausgebucht. Kein Wunder, es war Samstag, und am Wochenende herrscht immer Hochbetrieb. Die Erfolgsaussichten waren sowieso gering.

Das war ärgerlich! Wir konnten Herrn Chahed jedoch keinen Vorwurf machen. Er hatte es nur gut gemeint. Was wäre es so schön gewesen, wenn er mich telefonisch nicht erreicht hätte. Was wäre wenn ...; macht alles keinen Sinn. Wir mussten in den sauren Apfel beißen. 

Doch mittlerweile war es 8:00 Uhr. Wertvolle Zeit war vergeudet. Acht Stunden Gehzeit, aus denen möglicherweise zehn werden, plus Pausen. Da kommen wir erst im Dunkeln an, war uns klar. Alle Überlegungen nutzten nichts, wir mussten los! Und hofften auf ein kleines Wunder. Ich hatte nämlich den Eindruck, dass bei den Zeitangaben die Schwierigkeit des Weges zu wenig Beachtung fand. Sollten die Wege, oder wenigstens ein größeres Stück, gut begehbar sein, könnten wir es schaffen, noch bei Tageslicht anzukommen.


Zum Fotografieren war nicht viel Zeit. Tempo war angesagt. Die von mir am Vortag erkundete Abzweigung war bald erreicht. Dann ging's hinunter und ein letztes Mal über den Rivière des Galets, dieses  Mal ohne spektakulären Abstieg in seinem Oberlauf. Der Urwald war jedoch wieder so schön, dass ich nicht mehr umhin konnte zu fotografieren. Natürlich bedurfte es besonderer Anstrengungen, um wieder aufzuschließen.

Schmaler Fels am Col de Fourche. Links dahinter die Crête des Calumets Wurzelweg im Filao-Wald

In der Ebene der Tamarinden begegneten uns viele Wanderer, die vom Col des Boefs herunterkamen. Alle hatten sie ihre Autos auf dem Parkplatz davor geparkt. Wir sagten richtig vorher, dass uns nach der Abzweigung zum Col de Fourche kaum noch jemand anzutreffen sein wird. Endlich erreichten wir den Pass. Ohne Pause ging's weiter, zunächst steil hinunter. Dann durchschritten wir Filao-Wälder, um in tieferen Gefilden wieder in wunderschöne Märchenwälder einzutauchen. Teils auf breitem gut begehbarem Weg, einige Bachläufe querend, erreichten wir den Grand Sable (Großer Sand).

Und wieder durchschritten wir märchenhafte Wälder Sieht dieser feenhafte Urwald nicht aus wie ein Gemälde?

Ein schnurgerader Weg führt über diese Ebene, überraschenderweise durch dichten Wald hindurch. Rother klärt auf: 1875 begrub ein Erdrutsch vom Gros Morne herunter den kleinen Ort Ilet Grand Sable unter sich. Der Platz ist seitdem unbewohnt und zum Schutz gegen weitere Erdrutsche mit Filao-Bäumen aufgeforstet worden.

Zu einem beachtlichen Teil gute Wege ließen uns Tempo machen und nährten die Hoffnung, noch beizeiten anzukommen, sodass wir uns eine erste Rast gönnen wollten. Eine Schutzhütte am Ende der Ebene bot sich zunächst an. Sie erwies sich allerdings als so unwirtlich, dass wir einen Baumstamm als Sitzgelegenheit vorzogen. Schnell was gegessen und getrunken, und weiter ging's.

Und wieder konnten wir breite Wege unter die Füße nehmen und erreichten besiedeltes Gebiet. Auf einem befestigten Fahrweg wanderten wir steil hinunter, überquerten auf einer Fußgängerbrücke einen Fluss, um sodann zur Omnibushaltestelle aufzusteigen. Auf einen Bus zu warten, machte keinen Sinn. Also marschierten wir auf der Straße weiter bis Îlet à Vidot. Dort entschieden wir uns für den abwärts führenden Wanderweg, der über antike Thermen hinüber nach Hell Bourg führt. An den nur noch wenig erhaltenen Thermen sahen wir, dass der Weg weiter steil hinuntergeht. Ich wollte weitergehen, denn die Route über die Straße ist wesentlich länger. Widerwillig beugte ich mich dem Mehrheitsbeschluss, doch die Straße zu nehmen. Und der Weg zog sich. Noch eine Kurve, dann noch eine, bis wir endlich den Ortsrand erreichten. Nun galt's, unsere Unterkunft zu finden. Welch ein Glück! Noch bevor wir den ersten Passanten fragen mussten, tauchte der Relais vor uns auf. Acht Stunden hatten wir gebraucht. Wir hatten es tatsächlich in dieser Zeit geschafft. Aber wir hatten anfängliches langsames Vorwärtskommen dadurch wett gemacht, dass wir auf guten Wegen enorm schnell gingen. Gut, dass unsere Kondition, sicherlich dank eines ordentlichen Adrenalinstoßes, dazu ausreichte. 

Das Haus befindet sich in einem wunderschönen Garten. Ein riesiger Trompetenbaum stand in voller Blüte. Bouganvillea, Rosen, Weihnachtssterne, Flamingoblumen und andere mir nicht bekannte Sträucher blühten um die Wette. Den Eingang zierte ein Tisch mit vielen Orchideen. Das alles sah natürlich nach einer nicht billigen Unterkunft aus. Ich hatte keine Ahnung, wie das Ganze am Schluss abzurechnen ist. Schließlich hatten wir ja dieses Relais nicht bezahlt. Aber das spielte im Moment keine Rolle. Wir bezogen ein richtiges Drei-Bett-Zimmer mit eigenem Sanitärbereich. Welch ein Luxus! Zum Abendessen betraten wir einen schönen Speiseraum mit gediegenem Mobiliar. Zunächst gab es, wie in der gehobenen französichen Gastronomie der Chambres d'hôtes durchaus üblich, einen Stehkonvent mit diversen köstlichen Rumpunschen. Zum Essen wurde Fisch und Wokgemüse gereicht, statt Hähnchen und Linsen. Welch eine Abwechslung!

Riesiger Trompetenbaum im Garten des Relais Bambustunnel bei Hell Bourg

3. Ruhetag mit Umzug in den Gîte la Mandoze

Die Wirtin hatte aus unseren Gesprächen mitbekommen, dass wir in einen Gîte umziehen. Sie war darüber sehr erstaunt, da unser Zimmer noch frei war. Gerne wären wir in dem gastlichen Haus noch geblieben. Aber der Gîte war schließlich gebucht. Und wir gingen davon aus, dass wir für diese Unterkunft kräftig zuzahlen müssen. Die Antwort auf meine Frage nach der Rechnung ließ uns erstaunen: "Es ist alles bezahlt." Herr Chahed hatte also alles geregelt. Als die Wirtin zur Sicherheit noch in ihre digitale Buchhaltung schaute, konnten wir ersehen, dass der Relais nur geringfügig teurer ist als der Gîte. Umso mehr bedauerten wir unseren Umzug.

Die neue Unterkunft war schnell gefunden. Barackenähnliche Gebäude ließen uns nichts Gutes erahnen. Da wir unser Zimmer noch nicht beziehen konnten, suchten wir zunächst den Einstieg zu unserem Weiterweg. Mittagessen und ein Bummel durch den Ort schlossen sich an.
Unser einfaches Zimmer bestand aus drei Stockbetten. Der Wirt kündigte an, dass noch Leute hinzukämen. Das bedeutete das Ende unseres glücklichen bisherigen Alleinseins. Aber niemand mehr fand sich bei uns ein.

8. Wandertag: Zum Refuge Caverne Dufour oder Refuge du Piton des Neiges

Zum Frühstück ließ sich der Wirt überhaupt nicht sehen. Ein Nachschlag an Getränken oder Brot war nicht möglich. Ein unwirtliches Haus. Immer mehr bedauerten wir unseren Zwangsumzug.

An diesem Tag galt es, die Basisstation zur Besteigung des Piton des Neiges zu erreichen, um am nächsten Tag den Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu genießen. Rund 1.500 Aufstiegsmeter standen uns bevor. Von Cilaos hätten wir 200 Hm weniger und eine wesentlich kürzere Strecke gehabt.

Blick zurück auf Hell Bourg und die gewaltige Caldera-Wand des Cirque de Salazie Einfach fantastisch, diese Urwälder

Zunächst wanderten wir den tags zuvor erkundeten Weg, der durch einen von hohem Bambus gebildeten Tunnel führt. Am Sportplatz, wo die gelbe Markierung schwer zu finden war, gelangten wir in den Wald mit wiederum üppiger Vegetation. Callas, Farne, Baumfarne, Tamarinden, Filao-Bäume, Bambus, Fuchsien, Erdbeeren und märchenhaft von Moosen bedeckte Äste erfreuten unsere Sinne. Aussichtspunkte gestatteten uns schöne Tiefblicke auf Hell-Bourg. In vielen steilen Serpentinen gelangten wir auf ein Hochplateau, um danach wiederum steil den Cap Anglais (2.157 m) zu erreichen, wo wir wieder auf einen weiß-rot markierten GR-Weg stießen, den GR R1. Schließlich überschritten wir die Baumgrenze und gelangten in eine karge Heidelandschaft. Ein Höhenweg mit einigen Auf- und Abstiegen führte uns in dichtem Nebel zur Hütte. Einige Auflockerungen gewährten uns Weit- und Tiefblicke.

Moosballen in den Astgabeln der Bäume Über 2000 m: Heidesträucher mit feenhaften Flechten  

Recht früh, etwa um halb drei, kamen wir an, was uns den Vorteil bescherte, dass wir im Schlafraum mit drei dreistöckigen Betten, vom Hüttenwirt genehmigt, die freie Auswahl hatten. Natürlich belegten wir die unteren Betten, was die nach uns kommende Gruppe Franzosen zum Klettern zwang. Aber es waren junge Leute, denen es sicherlich nicht schwer fiel. Sie "revanchierten" sich mit viel Lärm, der uns lange nicht schlafen ließ. Als wir dann endlich schliefen, störten sie sich an meinem lauten Schnarchen, bewarfen mich des öfteren mit kleineren Gegenständen, sodass ich aufwachte und nicht mehr tief schlafen konnte. Das war nun das zweite Mal, dass wir rücksichtslose Vertreter der Grande Nation antrafen, die wohl zu denen gehören, die glauben, in der Gruppe sich alles erlauben zu können.

9. Wandertag: Ein Highlight, die Besteigung des Piton des Neiges, und der lange Weg nach Bourg Murat

Aufstehen kurz nach 3:00 Uhr, Abmarsch ohne Frühstück, ohne einen Schluck heißen Getränkes. Dies und die unruhige Nacht waren für mich zu viel. Mir war schwindlig, ich fühlte mich richtig schwach. Wir reihten uns, mit Stirnlampen ausgestattet, in die lange Schlange der Gipfelaspiranten ein. Jedoch musste ich fast alle hinter mir gehenden an mir vorbeiziehen lassen. Gerd leistete mir Gesellschaft, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

Der Weg ist auf weiten Strecken eigentlich kein Weg. Zwar sind überaus reichlich angebrachte weiße Farbkleckse nicht zu übersehen, aber die vielen losen Steine und das Geröll machen den Weg schwer begehbar. Die Sonne ging etwa um 6:00 Uhr auf, als Gerd und ich noch lange nicht auf dem Gipfel waren. Aber wir hatten nichts versäumt. Eine dichte Wolkendecke am Horizont hinderte die Sonne daran, sich als glühenden roten Ball zu präsentieren.

In nachfolgender Galerie zeige ich ein paar Fotos vom Piton des Neiges mit Blicken in den Krater und über den Kraterrand hinunter in den Cirque de Cilaos: (Achtung! Wenn man zur Website zurück will, muss man erst "zurück zum Album" anklicken.)

Hier zur Galerie

Das eigentliche Highlight ist nicht die Besteigung des höchsten Berges im Indischen Ozean an sich, sondern zum einen der Blick  hinunter in die bis zu 1.000 m tiefer liegenden Cirques. Am eindrucksvollsten empfand ich den Blick in den Cirque de Cilaos, der einem regelrecht zu Füßen liegt, wenn man vom Gipfel ein Stück weiter in Richtung Südosten geht. Zum anderen ist es der Blick
in den grandiosen, vielfarbigen, zerklüfteten, riesigen Schlund des erloschenen Vulkans, dessen Rand nach Südosten hin eingebrochen ist. Die Farben reichen von schwarz über grau, gelb, rosa, braun und rot bis weinrot. Im Inneren ragen Felsklötze empor, die Wände sind teils felsig, teils von Sandhängen bedeckt, teils bewachsen.

Caverne Piton des Neiges nach dem Abmarsch Blick vom Caldera-Rand des Cirque de Cilaos in den Cirque

Nach dem Abstieg konnten wir uns in der Hütte endlich stärken und bekamen sogar noch einen Nachschlag. 600 Hm Auf- und Abstieg hatten wir bereits hinter uns, doch jetzt begann erst der lange Abstieg nach Bourg Murat, was weitere 1.000 Hm Absteigen in die Plaine des Cafres (Kaffern-Ebene) bedeutete. Als wir uns schon an den schönen gleichmäßigen Abstieg gewöhnt hatten, erfolgte noch ein steiler Gegenanstieg mit einigen Leitern von etwa 100 Hm, der sicherlich nicht nur mir schwer fiel. Was in der herrlichen Urwald-Landschaft besonders auffiel, waren einige Flecken mit wunderschönen farbigen Moosen. Dann öffnete sich die Landschaft in ein weitreichendes Wiesengelände mit Viehwirtschaft, die Plaine des Cafres.

Ein Lavatunnel Unglaublich
farbenfrohes
Moos am Wegesrand

An einem Parkplatz waren wir uns einig, dass wir nicht versuchen würden, per Anhalter zu fahren. Allerdings mussten wir noch fünf Kilometer auf einer stark befahrenen Landstraße unter die Füße nehmen. Auf halbem Wege biegt links der GR R2 auf einer Forststraße Richtung Gîte du Volcan ab. Das hieß, dass wir am nächsten Tag, um auf den GR R2 zu gelangen, zweieinhalb Kilometer zurückgehen müssten. Das wollte ich unbedingt vermeiden, denn ich hatte auf der Karte einen Forstweg erkundet, der uns nicht nur die Straße erspart, sondern auch noch eine Abkürzung bedeutet. Endlich erreichten wir unsere Unterkunft gegen halb sechs. Diese Wanderung war aufgrund der Bergbesteigung und der Länge noch anstrengender als die nach Hell Bourg. Zum Glück hatte ich mich wieder gut erholt und somit keine Probleme mehr.

Einen Gîte konnte Herr Chahed in diesem Ort nicht buchen. Daher wohnten wir in der Chambre d'Hôte Alicalapa-Tenon, was natürlich auch gehobenen Standard bedeutete. Es gab kein Dreibett-Zimmer, nur Doppelzimmer. Gerhard durfte den Luxus genießen, ein Zimmer für sich zu haben. Bisher musste er bei nur zwei freien Stockbetten im "Erdgeschoss" klettern. Schließlich war er ja der Jüngste. Das war nun der verdiente Ausgleich.
Wir trugen dem Wirt meine Wegplanung für den nächsten Tag vor. Er riet uns jedoch dringend davon ab, da der Forstweg in einem sehr schlechten Zuzstand sei. Er sei teilweise überflutet, also nicht begehbar. Schweren Herzens fand ich mich damit ab, nochmals diese "elende" Straße gehen zu müssen.

Wir wurden mit einem guten und "hähnchen-freien" Essen überrascht. Das Frühstück gäbe es um sieben Uhr, verkündete der Wirt, aber wir bräuchten erst eine viertel Stunde später erscheinen. Typisch Frankreich, wo sieben Uhr auf gar keinen Fall sieben Uhr heißt.

10. Wandertag: Eintauchen in die Mondlandschaft des Piton de la Fournaise

Aus der Viertelstunde wurde fast eine halbe, was natürlich ärgerlich ist, wenn man eine lange Wanderung vor sich hat. Das ebenfalls ärgerliche Straßenstück überwanden wir so schnell wie möglich. Auf der asphaltierten Forststraße kamen wir rasch voran und erreichten am Ende der Straße einen schmalen und gut begehbaren Wanderweg. Dann verliefen wir uns das erste und letzte Mal auf dieser Trekkingtour, denn wir gingen geradeaus weiter, während der GR-Weg im spitzen Winkel links abbiegt, wie aus der Karte zu ersehen ist. Niemand hatte es bemerkt. Positives Verlaufen möchte ich es nennen, denn unser Weg war einfacher und kürzer, wahrscheinlich etwas weniger schön. Aber nach all den Anstrengungen der bisherigen Tour waren wir nicht böse drum. Wir mussten jedoch aufpassen. Der Wegverlauf war nicht immer eindeutig und die Markierung nicht so gut. An einer Kreuzung studierten wir die Karte und überlegten lange, welcher wohl der richtige Weg sei. Wir trafen zum Glück die richtige Entscheidung. Als wir die in der Karte verzeichnete Gruppe von Antennen links vor uns sahen, wussten wir endgültig, dass wir richtig lagen. Unser Weg war wahrscheinlich nicht so abwechslungsreich wie der GR-Weg, aber er führte durch liebliche Weide-Landschaften mit vielen großen gelb-blühenden Ginstersträuchern, hohem Heidekraut und anderen Sträuchern. Die zart-weiß blühende Calla war weit verbreitet. Auch dichten Nadel- und Laubwald trafen wir an, aber nicht den Urwald wie bisher. Die Landschaft hatte eher mediterranen Charakter. Unterwegs trafen wir noch Arbeiter, die die Begehbarkeit des Weges durch Stufen verbesserten. Man sieht, für den Wandertourismus wird was getan. Auch die Neubeschilderung und -markierung gehört dazu.

Viehwirtschaft, fast wie in den
Alpen
Eine der zahlreichen
Calla-Blüten am Wegesrand

Auf unserem Weiterweg kreuzten wir mehrmals die Straße Forestière du Volcan, bevor wir zu dem kleinen durch einen Brand halbzerstörten Heiligtum Oratoire Ste. Thérèse auf 2.400 m aufstiegen.

Hangweg bevor wir in die Plaine des Sables abgestiegen sind Die Plaine des Sables. Im Hintergrund der Piton de la Fournaise. Schön zu sehen unser Wanderweg

Wir hatten mit dem Oratoire den äußeren Calderarand erreicht, von dem es etwa 200 Hm in die Plaine des Sables hinabgeht. Dieser zerklüftete Kraterrand
besitzt noch eine reiche Vegetation an Sträuchern, aber dahinter öffnet sich die reinste Mondlandschaft, eine wüstenhafte Kraterlandschaft mit ihren vielfältigen Farben. Im Hintergrund erhebt sich der Piton de la Fournaise, der in seinem unteren Bereich vom inneren Kraterrand verdeckt wird. Auffällig ist am Ende der Ebene ein Kraterberg mit schwarzgrauem Gestein und roten Flecken. Unten in der Ebene angekommen, ging's ein großes Stück fast schnurgerade durch die Wüste, bevor das Gelände wieder anstieg, und wir am Griffe du Diable (Teufelskralle) vom GR R2 zum Gîte du Volcan abbogen. Am Schluss führte uns der Wanderweg auf der befestigten Naturstraße entlang.

Einer der Vulkankegel zwischen innerem und äußerem Caldera-Rand Wüste bevor wir den inneren Caldera-Rand erreichten

Eine erstaunlich große Hütte mit großem Restaurant-Raum und mehreren Dependancen mit den Schlaf- und Sanitär-Räumen. Das Abendessen gab's in Buffetform und schmeckte gut. Hier hatte ich drei Übernachtungen eingeplant, um die Landschaft ausgiebig erkunden zu können.

11. Wandertag: Das Highlight Piton de la Fournaise.

Speiseraum des Gîte du Volcan. Hinten links eins der beiden Buffets Ausschnit aus dem Schild am Eingang zur inneren Caldera (Enclos)

Gestärkt durch ein für französische Verhältnisse reichhaltiges Frühstück, wanderten wir um 8:00 Uhr los. Zunächst mussten wir ca. 70 Hm aufsteigen, bevor wir den Caldera-Rand am einzigen Zugang zur inneren Caldera, am Pas de Bellecombe, erreichten. Ein großes Warnschild weist, auch auf deutsch, auf die Gefahren hin. Wir durchschritten das heute geöffnete Tor und waren vom ersten Blick hinunter überwältigt. Diese weite Lava-Ebene, an deren von hier aus sichtbarem Ende sich majestätisch der Piton erhebt. Direkt vor uns das sanfte Kraterchen Formica Léo (Ameisenlöwe). Ein treffender Name, denn es sieht tatsächlich aus wie der Hügel eines Ameisenlöwen. Wir stiegen auf dem gesicherten Weg die steile Wand hinunter und betraten das aus Stricklava, Fladenlava und anderen Formen bestehende riesige zunächst ebene Areal. Am Formica Léo gingen wir vorbei, denn wir wollten bei möglichst bester Sicht den Kraterrand erreichen. Das war gut so, denn es zogen früher als sonst Wolken von Osten herauf.  Dann leicht ansteigend erreichten wir die Chapelle de Rosemont, eine mehrere Meter große Lavagrotte, die aus einer Gasblase in der flüssigen Lava entstanden ist.

Nachfolgend habe ich eine Fotogalerie zusammengestellt, die zunächst den Formica Léo zeigt, dann eine ganze Reihe kleinerer Krater und Lavagebilde und zum Schluss Fotos vom Hauptkrater Dolomieu
(Achtung! Wenn man zur Website zurück will, muss man erst "zurück zum Album" anklicken.)

Hier zur Galerie

Eine unglaubliche Vielfalt an Formen offenbarte sich uns: Kraterkessel; kleinere Kratertürme mit aufgerissenen Mäulern; scharfkantige Lavabrocken, die aus zähflüssiger basaltischer Lava entstanden sind; kleinere Lavaströme, die aussehen, als ob Kraken ihre Arme ausgebreitet haben; hohle teils eingefallene Lavaströme; Lavaströme, deren äußere Kruste aufgebrochen ist, aber im inneren noch ausgefüllt sind; Lavatunnel; sanfte von Asche bedeckte Lavakegel; zerbrochene dicke Lavaplatten; kleine Lavakegel, die aussehen wie ein Klumpen Gewürm; kleinere Lavatunnel, die so abgebrochen sind, dass sie wie runde oder spitze Torbögen aussehen; wie Haarnadeln aussehende Lavaströme; usw. Vorherrschend ist die Farbe grauschwarz, aber auch Braun-, Gelb- und Rottöne sind dabei.

Bedrohlich zogen die Wolken herauf. Wir beschleunigten unsere Schritte. Fast oben angekommen, waren wir jedoch immer noch nicht am Ziel, denn man muss den Krater noch fast halb umrunden, um an den Rand zu gelangen. Wir hatten es geschafft, bei schönstem Sonnenschein blickten wir staunend in den Schlund hinunter. Da lag er nun vor uns, teils mit senkrechten Wänden mit mehrfarbigen Schichten, teils mit schrägen Sand- und Geröllhängen. Der Rand ist brüchig. Eine weiße Linie darf nicht überschritten werden.

Wir waren erst kurze Zeit oben, als die Wolken uns erreichten und es anfing zu nieseln. Da blieb uns nur noch der Abstieg. Aber es klarte wieder auf, sodass ich mir für einige Fotos Zeit nehmen konnte. Jetzt bestiegen wir auch noch den Ameisenlöwen, bevor wir zurückkehrten.

Zwangsruhetag:

Wir hatten gehofft, dass das Schlechtwetter-Intermezzo des gestrigen Tages alles war. Aber es war leider nur der Vorbote, denn nun regnete es, d.h. es schüttete. Zwischendurch kurze Aufhellungen, dann schüttete es wieder. Der Tag war "gegessen". An den geplanten Ausflug zum Aussichtspunkt Nez Coupé (Kupierte Nase) de Ste-Rose war nicht zu denken. So unterhielten wir uns die meiste Zeit angeregt mit einigen Leuten, auch mit einem Katalanen, der ungewöhnlich heftig über die Spanier schimpfte.

12. Wandertag: Abstieg im Regen zum Gîte Basse Vallée

Es schüttete. Uns erwarteten über 1.700 Hm Abstieg bei diesem Wetter! Das ist kein Vergnügen. Es half alles nichts, wir mussten los. Der Gîte Basse Vallée war gebucht. Also hüllten wir uns fest in unsere Regensachen ein. An dieser Stelle möchte ich noch anfügen, dass ich mir einen sog. Hooded Raincover gekauft hatte. Das ist eine Kombination von Regenmütze und Rucksackschutz, sodass zwischen Rucksack und Rücken kein Wasser mehr durchlaufen kann. Siehe auch meine Ausrüstungsliste. Regenüberhosen hatten wir keine dabei. Natürlich wurden unsere Hosen klitschnass und klebten an den Beinen. Aber die Wanderhosen trocknen auch sehr schnell wieder. Obwohl wir froren, bestand aufgrund der Bewegung keine Erkältungsgefahr. Wir waren schließlich lange Zeit über 2.200 Meter hoch, und es war kalt und windig. Trotz des Regens gab es Nebel. Nebel ist auf Réunion eine große Gefahr. Der kann plötzlich so dicht werden, dass man kaum noch die Hand vor den Augen sieht.

Wir marschierten also los. Zunächst mussten wir zurück, um wieder auf den GR R2 zu treffen. Wir beschlossen, auf der Forststraße statt auf dem Wanderweg zu gehen, da diese ebenfalls auf den GR-Weg stößt. Als links ein Wanderweg abbog, folgten wir diesem. Weiße Punkte leiteten uns, aber keine GR-Markierung. Natürlich irritierte das uns. Dann erreichten wir den auf der Karte eingezeichneten Parkplatz und wussten, dass wir richtig waren. Und da war auch die ersehnte Markierung, die uns zum Rand der inneren Caldera führte, an der wir  lange entlang gingen und zwei Vulkankegel passierten.

Der Weg war teilweise kein Weg mehr, sondern ein Bachbett, durch das das Wasser schoss. An Stufen entstanden regelrechte Wasserfälle. An vielen Stellen stand der Weg derart unter Wasser, dass wir aufpassen mussten, dass uns das Wasser nicht oben in die Schuhe reinlief. An manchen "Seenplatten" mussten wir uns neben dem Weg durchs Gebüsch schlagen. Zwischenzeitlich überholte uns der Katalane, der denselben Weg ging. Schließlich ist er einige Jahrzehnte jünger als wir.

Und nochmals Urwald Und nochmals Urwald

Am Piton de Bois Vert (Grüner Wald) verließen wir den Kraterrand, der uns bei schönem Wetter viele wunderbare Blicke in die Caldera gestattet hätte. Am Puys Ramond betraten wir wieder den Regenwald, um auf zum Teil grobkörniger Lava steiler abzusteigen. Siehe da, es hörte auf zu regnen und die Sonne kam wieder hervor. Aber nasse Wurzeln und glatte Steine zwangen uns, besonders an steilen Stellen, zu großer Vorsicht. Endlich erreichten wir einen Picknickplatz an einer Forststraße. Bei strahlendem Sonnenschein ruhten wir uns ein wenig aus und bewunderten die vielfältige Vegetation mit Farn, Knabenkraut, Wandelröschen, Stechginster usw. Noch ein kurzer Abstieg und wir hatten den Gîte um 17:00 Uhr erreicht. Der Katalane teilte mit uns den Schlafraum. Ein Spanier trat ein und fragte ihn, ob er Spanier sei. Si, antwortete er. Da waren wir platt. Das war doch für ihn die Gelegenheit zu sagen: No, ich bin Katalane. Was hatte er uns gegenüber über die Spanier geschimpft!

Von Moos bedeckte Baumwurzeln Das Meer bei Basse Vallée ist in Sicht

13. und letzter Wandertag: Abstieg nach Basse Vallée

Nur noch 600 Hm. Aber Vorsicht! Der rutschige noch nasse Untergrund durfte nicht unterschätzt werden. Am späten Vormittag erreichten wir die Bushaltestelle am Ende des GR R2. Wir waren glücklich und zufrieden. Nichts war passiert, alles hatte geklappt. Wir waren uns jedoch einig, dass wir riesiges Wetterglück hatten. Was wäre geschehen, wenn wir schon früher solche Regentage gehabt hätten? 

Nach St. Denis wollten wir noch nicht. Da bot sich St. Pierre als Zwischenhalt an. Nach drei Stunden Wartezeit konnten wir den Gelben Bus nehmen und trafen gegen 15:00 Uhr in St. Pierre ein. Ein freundlicher Herr der Busgesellschaft  empfahl uns ein einfaches Hotel garni in der Nähe. Da blieb uns noch Zeit, den Ort zu besichtigen und den Sonnenuntergang am Meer zu genießen. Zu unserer großen Überraschung fanden wir ein Buffet-Restaurant, das uns mit allerlei Köstlichkeiten für nur 20 EURO verwöhnte.

Im Park von St. Pierre Die Sonne spitzelt
in einem schmalen Spalt zwischen Wolken und Meer hervor

Die letzten Urlaubstage

Am nächsten Tag brachte uns der Bus nach St. Denis, wo ich nochmals das Hotel Select Indian Ocean gebucht hatte. Nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf zog es uns wieder zu den Imbissbuden am Barachois. Wir hatten viel Zeit, also schliefen wir am nächsten Morgen aus und genossen nochmals das uns bekannte reichhaltige Frühstück. Da wir erst um 19:00 Uhr einchecken konnten, nutzten wir die Zeit für einen Spaziergang, bevor wir den Bus zum Flughafen nahmen. Der Flieger landete pünktlich kurz vor acht in Orly. Sicherheitshalber hatte ich eine Flugverspätung einkalkuliert und erst den Zug um 17:10 Uhr gebucht. So verbrachten wir faul den Tag im Gare de l'Est. Die Fahrt mit dem TGV war kurzweilig, da wir uns angeregt mit chinesischen Touristen unterhalten konnten.

Beim Schreiben dieses Berichtes waren mir sehr hilfreich: Gerds tägliche Aufzeichnungen (herzlichen Dank!), die Wanderkarten, Google Earth, die Fotos mit den genauen Zeitangaben und auch meine Erinnerungen. Das Schöne an der Arbeit war, dass ich den Urlaub nochmals Revue passieren lassen konnte und die Lust wiederzukommen gesteigert wurde. Noch sehr viel Neues gibt es auf der Insel zu entdecken.

Von Réunion gibt es 6 IGN-Karten im Maßstab 1 : 25.000, 4401RT bis 4406RT. Für unsere Tour benötigten wir 4401, 4402, 4405 und 4406 RT. Zur Unterstützung diente der Rother Wanderführer von Walter Iwersen, der 52 Touren beschreibt: La Réunion - Frankreichs Wanderparadies im Indischen Ozean.